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LEP#120 – UTMB / CCC – French Trail Festival

Ende August ging die Kaffeefahrt zum Franzosenhügel los. Doch halt, wie kam es dazu?

Überblick über die UTMB Strecken
Die Rennwoche bietet eine Vielzahl an Strecken und Wettkämpfen

Die letzten Vorbereitungen und die Anreise

Lange, lange haben sich einige unserer Ultralaufbubble auf den UTMB vorberereitet. Für 2021 endlich gezogen, wurde das ganze letzte Jahr trainiert. (in diversen Folgen nachzuhören). Peter wollte als Support mit nach Chamonix fahren um die tapferen Läufer mit Speis‘, Trank und guter Laune um den Berg zu tragen.

Stimmungsbild vom Mont Blanc
Der Berg Weiss – das große Ziel

Im Juni eröffnete sich unvermutet eine Möglichkeit der Nachmeldung für die Rennen in Chamonix. Neben Steffen, der sich einen Startplatz für den UTMB gesichert hat, hat auch Peter die Chance ergriffen und war gefühlte 0,3 Minuten nach Anmeldungsöffnung beim CCC angemeldet.
Nachdem die Bestätigungsmail angekommen ist, hat er auch realisiert, dass es nun wohl Zeit wäre nach einem knappen halben Jahr des Extremtaperings und Achillessehnenverhätschelns wieder ein paar Trainings einzuschieben.
Bei nur knackigen 10 Wochen Zeit bis zum Start würde das wohl mal ein Trainingsaufbau der etwas anderen Art werden.

Flo hat derweil seinen Trainingsplan eisern durchgezogen und die Höhenmeter, Distanz und Trainingsdauern waren fein auf das Ziel abgestimmt.

Peter hingegen ging mit ein paar groben Eckpunkten im Kopf in die Folgewochen. Der Dreisprung ins Glück beinhaltete zuerst den Kaltstart mit dem Morgenspaziergang Backyard Ultra (Folge 115) – Fazit „das Bein hält“, danach Schonung und neben ein paar Läufen auch gemeinsames Training mit Steffen, der Bergziege und Martin am Unterberg (das könnte man glatt als seriösen Lauf einordnen). Höhenmeter gab es noch durch x-malige Bisambergrunden. Der zweite Test war der Marathontrail beim KAT100. 60km mit 3000hm – da sollte doch abzulesen sein, ob es ein komplettes Himmelfahrtskommando wird oder das Finish zumindest eine kleine Chance hat. (Folge 119)

Zielsprung Peter beim KAT100
Die Generalprobe beim KAT gelang gut (Folge 119)


Da ging doch glatt auch dieser Lauf gut und die Beine hielten erneut. Dank Conny, der Physiotherapeutin des Vertrauens und einer Massageeinheit von Tom (beide brachten nach dem KAT Peter fast zum unkontrollierten Wasserlassen), konnte auch der Abschluss des „Trainings“ in Angriff genommen werden. 2 Bergläufe, 20x Bisamberg, ein bisschen Beine ausschütteln und ein langer Lauf mit Flo – gefolgt von 2 Wochen Tapering – das muss doch reichen und klappen.

Seriös betrachtet hätte nach diesen Trainingsaufzeichnungen wohl nur ein spielsüchtiger Hasardeur auf psychodelischen Pilzen auf einen erfolgreichen Start beim CCC getippt.

Dann kann es ja losgehen.

Der traurige Start in die Woche

In der Rennwoche rund um den UTMB finden ja bekanntlich mehrere Rennen statt und am zweiten Tag der Wettkämpfe kam es im Rahmen des TDS (145km, 9100 hm – technisch anspruchsvoll) zu einem tragischen Zwischenfall (Zeitungsbericht Kleine Zeitung, iRunFar). Ein tschechischer Läufer stürzte an einer gefährlichen Stelle ab und starb in Folge seiner Verletzungen. Der Lauf wurde für alle, die diese Stelle noch nicht passiert hatten beendet und sie wurden vom letzten Checkpoint davor retour gefahren. Die ersten beendeten den Wettkampf regulär (darunter auch Florian Grasel – Interview Folge 113). Angesichts dieser Tragödie war das Resultat aber nebensächlich. Die in den Folgetagen aufgekommenen Diskussionen in verschiedenen Foren zu diesem Thema mit absolut absurden Aussagen wie „warum wurde nicht fortgesetzt, wir haben alle gezahlt“, „wir wollen einen Gratisstartplatz für das nächste Jahr“ zeigen leider, dass es offenbar auch im Trailsport ein gerüttelt Maß an Fetzenschädeln gibt, denen wohl im Training der eine oder andere Stein zwischen die Ohren gefallen ist.

Läuferschlange nach dem Abbruch am Weg retour
Aufgrund der Tragödie beim TDS wurde das Rennen für viele abgebrochen

Die anderen Läufe wurden (auch weil sie auf anderer Strecke stattfinden) regulär durchgeführt. Also ab nach Chamonix.

Der Tag davor

Mit einem Übernachtungszwischenstopp in Kärnten ging es im Bastimobil durch Italien immer Richtung Trailrunners Paradise. Die Stimmung gut und die Autoplaylist voller Ohrwürmer ging es mit EAV, Reinhard Fendrich und jeder Menge Rock ins Aostatal. Bei der Anfahrt zum Mont Blanc Tunnel wurde es im Auto ruhiger und die Voltage stieg merklich. Beim ersten UTMB-Schild am Grenzübergang wurde es allen schlagartig bewusst und auch visuell ins Gesicht gezimmert, dass dieser Lauf stattfindet und alle an der Startlinie stehen werden.

Ein paar Vortunnelstauminuten später und um 50 Tunnelmauteuro erleichtert tuckert der Athletenexpress durch den Mont Blanc Tunnel um Minuten später Chamonix zu erreichen und das kuschelige Zimmer zu beziehen, das nicht zu unrecht in den Bewertungen als „wunderbar für 2 Personen“ beschrieben wurde. Da ist es ja gut, dass die Gruppe aus 4 Personen bestand. Aber sie mögen sich ja alle, also gut geschlichtet und die Betten verteilt.

Flo und Basti kuscheln im Bett
kuschelig


Da Peter bereits um 0645 im Bus in Richtung Start sitzen sollte, packte er seine Racevest bereits jetzt.

Gearcheck bei Peter
Gearcheck

Gemeinsamer Gearcheck erledigt und es hat sogar das noch am gleichen Tag aktivierte „Cold Weather Kit“ Platz. 8 Liter ist aber wirklich nicht viel.

Covidbedingt entfiel dieses Jahr der Check bei der Startnummernausgabe und so war das eine richtig zügige Sache. Einzig die Abholung des GPS-Trackers, den sich Basti um wohlfeile 50 Euro und 150 Euro Kaution dazuoptioniert hat, war etwas langwieriger – da ist noch organisatorische Luft nach oben.

Der Abend klang mit einem gemeinsamen, traditionellen Pizzaessen inkl. zweier Preracebiere mit den Teamkolleg:innen des Team Vegans aus.

CCC

Nach einer bewegenden Trauerminute für den tschechischen Läufer, wurde der CCC um 0900 (bzw. für Peter um 0915) gestartet.

Höhenprofil der CCC-Strecke
Mehr als 100 km sollten nun kommen

Pünktlich um 0500 beutelt der Wecker Peter nach einer kurzen aber doch recht erholsamen Nacht aus dem Bett und mit Micheles Hilfe, gab es gar noch ein Frühstück bevor es auf den Weg Richtung Bus ging. Kurz vorm Bus schoss es dem müden Burschen in die Synapsen, dass er seine ID-Card im Geldbörserl stecken hat und dieses ist natürlich neben dem Bett in der Unterkunft. Im Laufschritt retour und am Weg Flo angerufen, dass er ihm den Personalausweis bitte runterbringen möge, sonst geht sich der Bus nimmer aus.

Noch etwas verschlafen geht es für Peter zum Bus
Früh morgens geht es los


Gesagt, getan, erledigt und retour zum Bus – sodele – Alle wach und Adrenalinlevel stimmt nun auch.
Viel zu früh in Courmayeur angekommen, wurden die folgenden 90 Minuten mit Kaffee, Klowarteschlangen (Danke an den Tippgeber, der auf ein WC im Untergeschoß des Sportzentrums hinwies – der erste Held des Tages) und Unterhaltungen mit Mitbewerbern (liebe Grüße an Thomas vom Über das Laufen Podcast) rumgebracht.

Unter dem Startbanner durch ab zum ersten Anstieg.

Der Tête de la Tronche ist der einzige Abschnitt des CCC, der nicht ident mit der UTMB-Route ist.

Der ersten Anstieg ist gleich richtig hart
Der Menschenzug tuckert den ersten Berg hinauf.

1500 Höhenmeter auf den ersten 10 Kilometern sind aber auch direkt eine Ansage an die Starter:innen. Der Großteil des Weges wird im Gänsemarsch absolviert und Überholen ist nur selten möglich. Das ist einerseits etwas mühsam, da das eigene Tempo nicht bestimmt werden kann, andererseits ist es für Menschen wie Peter hilfreich, da sie nicht zu schnell starten können.
Die Landschaft wunderschön, die Beine gut, das Wetter perfekt – der Tag lässt sich gut an.

Anstieg 1 von 5 erledigt.
Erster Hügel done – herrlich

Nach rund 2 Stunden war der 2584 m hohe Berg erklommen und der erste Downhill des Tages zauberte Peter ein Lächeln ins Gesicht. Nur nicht zu schnell – nur nicht zu schnell. Die nächsten Kilometer führten den Bergkamm entlang zum Refugio Bertone und somit retour zur UTMB-Strecke.

Hier war auch die erste Labe. Peters Taktik für diesen Lauf hieß – hinauf nicht zuviel Zeit verlieren, bergab Leute einsammeln aber nicht overpacen und in den Labestationen Stehzeit minimieren.

Am Bergrücken entlang Richtung Refugee Bertone
Richtung Bertone


Also Bertone ohne Hinsetzen hinter sich bringen und das Essen im Gehen erledigen.
Der nächste Abschnitt nach Refugee Bonatti war unspektakulär und auch die nächsten Kilometer bis Arnouvaz, wo sich die nächste Verpflegungstation befand.
Kurz vor Arnouvaz wartete aber ein recht steiler Downhill und Peter konnte nicht anders. Stöcke weg – Handschuhe blieben an und Hurra die Gams – runter durch den Wald. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht war Arnouvaz bald erreicht. Dennoch bemerkte Peter, dass die Kondition nicht endlos sein wird und auch der Laufstil nach der Verletzung nicht optimal ist. Hoffentlich würde das nicht noch zum Problem werden.

Selbe Prozedur wie zuvor und ab Richtung Grand Col Ferret. Soll heissen, ab auf wieder mehr als 2500 Meter. Dieser Pass bildet auch die Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Der Anstieg zieht sich doch recht lange und Peter verfolgt seine klassische Bergauftaktik – such dir ein paar Wadl, die ungefähr dein Tempo gehen und hypnotisiere diese bis oben erreicht ist.

Immer den Wadln nach, bis der Pass erklommen ist.
Hopp , Hopp, Up to the Top

Ab 2000m merkt man auch, warum das Kältekit wohl nicht ganz umsonst aktiviert wurde. Obwohl es kurz nach Mittag war, wurden Wind/Regenjacken, lange Ärmel und Handschuhe ausgepackt. Diese Pässe in der Nacht würden wohl das Minus am Thermometer aufblitzen lassen.

Über den Berg und ab auf den längsten Downhill des Laufs. Mit einem 6 Minuten Zwischenstopp in La Fouly in Richtung Champex-Lac, der letzten Einkehr vor den letzten 3 Bergen.

Hier konnte Peter gut Tempo machen und war eigentlich ganz zufrieden. Natürlich war eine gewisse Ermüdung spürbar und gazellenhaft war der Bewegungsablauf wohl nicht mehr. Peter aktivierte nun auch das erste Mal die Playlist und ab hier wurde er von sanften Klängen begleitet (Playlist hier).

Kurz vor Champex-Lac, einem Bergstädtchen auf ca. 1500hm, geht es ein paar hundert Höhenmeter in eben dieses nach oben. Diese Lifebase ist einer der großen Labestationen in denen auch Support erlaubt ist. Peter gönnte sich hier ebenfalls 5 Minuten Pause zum Nachfüllen und Essen fassen. Bisher ging die Taktik gut auf und bei jeder Labe wurden Plätze gut gemacht.

Raus aus dem Zelt und entlang des Sees Richtung Trient. Bevor diese Verpflegungsstelle erreicht wurde, hieß es in 11km wieder rauf auf knapp 2200 Meter und dann wieder runter auf 1200 Meter über dem Meer. Auf diesen 11 Kilometern verspürte Peter auch das erste Mal bewusst ein gewisses beklemmendes Gefühl um die Brust am Anstieg. Das Tempo konnte zwar noch einigermaßen gehalten werden, aber es war richtig mühsam und auch Downhill funktionierte nicht mehr so locker wie gewohnt, obschon er gemeinsam mit einem anderen Läufer das Tempo höher hielt, als ein Großteil der sie umgebenden Läufer:innen, und so ging es weiter nach vorne in der Rangliste. Vielleicht hat er aber hier bereits zu wenig gegessen und hätte wohl da bereits gegensteuern müssen.

Die 900hm Anstiege in der zweiten Hälfte sind giftig

Die Labe Trient war mit 11 Minuten Eingang zu Ausgang auch die bisher langsamste – da wurde auch ein Sitzplatz in Anspruch genommen und Peter versuchte den Puls unter Kontrolle zu bekommen.

Die Anstrengung ist nun deutlich sichtbar
Schön langsam sieht man die Erschöpfung und die Anstrengung

The Walking Dead

Vom Sitzen wird es nicht besser, also raus aus der Labe und auffi aufn Berg. Es warten wieder ein ca. 800hm Anstieg (und das auf ca. 4 km) und einem nachfolgenden Abstieg von ca. 6-7 km. Dieser Aufstieg zog Peter den Stecker. Bereits in der ersten Kurve im Wald blieb er stehen, dachte kurz über diesen Schwachsinn nach, setzte 2 Sprachnachrichten ab, bevor er mit sich übereinkam, dass das jetzt halt auch nix bringt und es wohl weitergehen muss. Die folgenden Kilometer erinnerten sowohl in Tempo als auch in Eleganz an The walking Dead und Peter stand sich quasi nach oben. Als Gehen konnte man ja Kilometerzeiten zwischen 18 und 23 min / km nicht mehr werten. Die UTMB-Tabelle wirft hier auch knackige 2,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit aus. Der Brustkorb eng, die Luft knapp, das Gefühl sagt – probier ein Gel und du wirst es mit einem weiten Bogen wieder aus dir raus katapultieren, also lassen wir es wohl. Ein Drama – so war das nicht geplant. Kurz vor dem höchsten Punkt gibt es einen Kontrollpunkt, der eigentlich nicht als Pausenstelle geplant ist. Ist Peter aber wurscht. Ein erschöpftes Bonjour in die Runde geröchelt, quittierte er die Frage, ob er sich kurz auf die Bank setzen möchte, mit einem Kopfnicken und ließ sich auf die Bierbank plumpsen. Die Dame vor Ort fragte ab, ob im schwindelig ist oder ob es irgendwie ernster ist, aber es war wohl nur energielose Erschöpfung und das darf kein Grund sein, nicht weiterzugehen. Es soll ja nach La Flegere gehen.

Die dunkelste Stunde des Laufs
Es gab auch die eine oder andere finstere Minute

Bereits seit Champex Lac wiederholte Peter seine zwei Mantras dieses Laufs: „finish strong – du willst den letzten Downhill geniessen“ und „nur bis La Fleschär und du bist durch“… „nur bis La Fleschär“…“nur bis La Fletschere….verdammt blöde Sprache – la Fleschär“

Dieses La Flegere war aber zu diesem Zeitpunkt gefühlt ewig entfernt. Es musste aber weitergehen. Um 22xx ist es auf mehr als 2000 Meter auch nicht gerade muckelig und jede Minute sitzen macht es nicht besser. Weiter, weiter, der Downhill kommt und obwohl es wieder langsam läuft, wurde er zum ersten mal in diesem Wettkampf bergab von einigen Läufer:innen überholt. Da schrillten nun endgültig alle Alarmglocken.
Nachdenken was es sein könnte und versuchen die Liste der möglichen Ursachen durchzugehen und bestenfalls eine Lösung finden.

Irgendwie hinein in die Verpflegungsstelle und wie bisher Cola, Wasser, Obst und Riegel holen. Da diese Essensvariante ja offenbar zum aktuellen Zustand geführt hat, musste auch noch was anderes her – Clif Bar rein, Gel rein ohne Rücksicht auf eine mögliche, schnelle Retournierung durch den Magen – 2 Zitronen essen – eine Salztablette in den Korpus – nachtrinken – noch ein Gel. So schnell es sich anhört, so langsam muss es gewesen sein, denn die Timetable sagt 30 Minuten Stehzeit und Peter hat bis heute keine Ahnung, was er in dieser Zeit gemacht hat – offenbar ein bisschen Essen und sonst eher nix.

Offenbar ist Peter in der letzten großen Labe einfach herumgesessen

Irgendwann und irgendwie raus aus dem Zelt und hin zum finalen 900 hm Anstieg hoch nach La Flegere (und auch nach dem 1000 Mal vorsagen war jede 8 Wiederholung nicht La Fleschär, sondern La Fletschere – wasn Mistwort).
Als es am Fluss von Vallorcine entlang aus der Ortschaft und Richtung Berg ging, überholte ein Argentinier Peter. Dieser wurde zum unfreiwilligen Pacer für den kompletten Anstieg. Seine ähnliche Pace und Schrittfolge machte sich Peter zu Nutze und er fokussierte sich nur auf die Beine des vor ihm befindlichen Athleten. Der Anstieg war zwar gleichmäßig, aber eine endlose steinige Treppenähnliche Abfolge von Serpentinen, die nochmal richtig steil nach oben zeigte. Von unten war ein Glühwürmchenzug ohne erkennbares oberes Ende zu sehen – es war hier auch schon nach Mitternacht.

Nur die Lampe hat die Nacht erhellt. Die Stimmung war eher düster.
Dark, dark, dark

Die zwischenzeitlich möglichen, aber auch im Vorfeld bereits eher utopischen Sub 18 waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgehakt, die Sub 20 sollten gut machbar sein und Durchkommen war in Peters Kopf gegeben – da gab es eigentlich keinen Zweifel mehr.

Nach dem gefühlt endlosen letzten Anstieg, der wie die beiden davor in der Dunkelheit geschah und genausogut in der Stanz, einem Stiegenhaus in Ungarn oder auf einem riesengroßen Berglaufband stattfinden hätte können, beantworteten die beiden Zeitmeßmenschen die Frage „is this the top“ mit einem aufmunterndem „yes – this is the highest point“. Die haben aber nicht gesagt, dass das zwar stimmt, aber nicht bedeutet, dass es nun einfacher wird oder kein Anstieg mehr kommt.

Zuvor aber etwas runter vom Berg und die nächsten 400km, die eigentlich nur 3 oder 4 sind , über Felsplatten und Steine den Berg entlang. In weiter Ferne taucht endlich ein Licht auf, dass ja wohl hoffentlich die Liftstation von diesem La Flegere ist. Ging es gerade rüber? Na aber sicher nicht! In einem weiten Bogen mit ein paar kleinen Gegenanstiegen und dem Durchlaufen eines um die Uhrzeit geschlossenen Almgasthofs ging es zum letzten Hügerl rauf zu der Verpflegung.

Am Eingang wurde Peter darauf hingewiesen, dass er bitte seine Maske aufsetzen soll, aber nachdem er als er danach griff mit einem eleganten Schlenker fast umgefallen ist, hat sich die Dame um entschieden und ihn direkt auf eine Bank gebracht. Vielleicht war die Energie ja noch nicht ganz da.

Nun wurde aber versprochen, dass es wirklich nur mehr bergab gehen sollte. 3 km steil und 5 flach – das waren endlich wieder gute Aussichten. Vielleicht ist Finish Strong ja noch drin…..nicht zu lange aufhalten und runter vom Hügel.

Da ja bereits auf den letzten Berg hinauf ein zweiter Frühling angebrochen ist (auch wenn das die Videos nicht vermuten lassen), wollte Peter nun nochmal alles rausholen, denn sterben kann er tags darauf ja auch noch und weh tun würde es sowieso.

Mit wieder recht flotten Schritten runter, eine zweistellige Zahl an Läufer:innen überholt, ging es auf den finalen Kilometer in Chamonix.

Wie man sich vorstellen kann, ist die Anzahl der Anfeuernden um 4 Uhr morgens überschaubar und so waren bis auf Friends&Family derer, die nun erwartet wurden, nur 1-2 Gruppen an Menschen unterwegs, die wohl gerade aus Bars kamen und Stimmung machten. Ob für die Läufer oder weil sie einfach betrunken waren, ließ sich nicht sagen, aber Peter war das auch egal. Sie waren da und sie machten Stimmung – das reicht.

Um 04:27 nach 19 Stunden 27 Minuten und 30 Sekunden war der Zielbogen durchschritten und Peter holte sich seine Finisherweste, sein Zielbier und die Anspannung fiel ab. CCC – geschafft. Platz 444 von über 2000 Startern – das geht. Ohne Tief wäre da wohl noch ein bisschen was drinnen….aber man will ja nicht undankbar sein 🙂

Endlich im Ziel angekommen
19 Stunden vorbei…. CCC erledigt

Als er um 5 Uhr ins Zimmer kam, sich duschte, 2 Stunden aufs Ohr schmiss um rechtzeitig um 0930 in Courmayeur zu sein, waren Flo, Basti, Steffen und Michele bereits seit 11 bzw. 12 Stunden unterwegs…

UTMB

Die vier Läufer mit ihren Startnummern
Lasst die Spiele beginnen

Während Peter schon lief, waren die UTMB Starter noch „entspannt“ im Quartier und bereiteten sich auf ihren Start am Abend vor. Neben dem Quartett rund um Flo (Basti, Michele und Steffen) starteten auch Robert und Christoph in dieses Abenteuer.

Das Höhenprofil der 170km ist eindrucksvoll

Starting Grid

Obwohl sie als Gruppe gemeldet waren, wurden die vier auf 3 Startblöcke aufgeteilt (nach utmb Score). Vorneweg Flo, der um 1700 auf die Reise ging. 30 Minuten später folgten Steffen und Basti und nochmal 30 Minuten später rundete Michele das Ganze ab.

Erste Kilometer

Die Stimmung am Start ist unbeschreiblich – Gänsehaut

Die Marschtabelle und auch das schlaue Buch über den UTMB sagt: „Wer die ersten Kilometer nach Les Houches läuft will Top 10 laufen oder ein DNF hinlegen“. Flo ist ganz hinten im Startblock gestartet und konsequent alle Anstiege gegangen. Ein Äuzerl schneller waren Basti und Steffen unterwegs und noch ein kleines bisschen flotter war Michele am Weg.

Es rollte und ganz unspektakulär ging es durch die ersten Kilometer. Nach dem ersten Hügel nach Saint Gervais und einem Linksknick geht es ab nach Contamines Montjoie. Hier wartete Flo wie vereinbart auf die beiden Mittelstarter. Gemeinsam wurde der erste große Berg in Angriff genommen.

Der Anstieg zum Col du Bonhomme
Wenn es nach oben geht – zieht euch warm an

Group up – Way to Courmayeur

Der Col du Bonhomme startet den UTMB Reigen der hohen Berge. Strikt nach Plan kämpften sich die drei nach oben und die Nacht wurde tatsächlich kalt. Das Kit la froid war wohl nicht unnütz.

Basti tankte immer fleißig ISO in den Labenund irgendwie und irgendwann bemerkte er nebenbei, dass ihm nicht ganz wohl ist. Das hat er kundgetan und auch direkt vergessen.

Anhand der Nudeln an den Laben konnte man die Länder unterscheiden

Michele war zu diesem Zeitpunkt noch alleine unterwegs und hatte sich nach seinem erste kleinen Tief nach ca. 20 km wieder gefangen. Sobald er den ersten großen Anstieg gesehen hat, war sein Kopf wieder besänftigt und es ging bergauf.

In Lac Combal ging die Sonne auf
In Lac Combal war die erste Nacht erledigt.

Ein bisschen weiter vorne ging es dann auf den Col de la Seigne. Beim autonomen Versuch (UTMB ohne UTMB – Bericht von Geordi und in Folge 063) war der zu flotte Downhill nach Les Chapeux und der folgende Anstieg auf den Col de la Seigne des Zieges Totengräber. Dieses Mal im Downhill mit angezogener Handbremse aber wieder mit dem nach oben drückenden Gefühl aus dem Magen unterwegs, ging es Basti erneut nicht so optimal.

Als Ursache hatte er das oben angesprochene ISO im Verdacht, man munkelt aber, dass auch der Kopf eine gewichtige Rolle gespielt hat. Sollte er denn erneut auf diesem „Saupass“ die Segel streichen?

Mantraartig hatte er sich ja vorgesagt, dass er es dem Berg dieses Mal zeigen wird. Um das mit Nachdruck kund zu tun, sprudelte es im Schwall aus ihm in einer Haarnadelkurve heraus. So kann man natürlich auch ein Statement setzen: „Berg, ich find dich zum Kotzen“.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Basti die Einschätzung, dass er zu 95% ein DNF am Ende hinlegen würde. Viel Hoffnung war da nicht in der Nacht. Steffen und Flo haben ihn mental ein wenig aufgerichtet und das mitgebrachte ISO von Flo hat auch ganz gut getan.

Michele hatte aufgeschlossen - endlich vereint
Das ganze Team vereint in Richtung Courmayeur

Plötzlich auch noch ein „EY, Basti“ von hinten hörend und Michele sehend, war des Bastis Geist wieder aufgerichtet und es konnte Richtung Courmayeur gehen.

allez, allez

Volltanken in Courmayeur

Nach Lac Combal und einem weiteren Anstieg ging es gar steil vom Mont Favre hinunter nach Courmayeur. Die Marschtabelle gut getroffen, schlugen die 4 Helden an der großen Lifebase auf.

Hier sahen sich die UTMB-Läufer und Peter auch das erste Mal wieder. Gemeinsam mit Nadine und Sabrina vom Team Vegan.at, die Robert und Christoph (Interview in Folge 117) supporteten, wurde war die erste eigene Labestation aufgebaut und nebst Speis und Trank, genoßen die Athleten eine Massage. Nach einer knappen Stunde Aufenthalt, betankt, gefüttert und frisch mit Sonnencreme, Magnesiumöl und Antichaftingmittel einbalsamiert, ging es raus aus dem muckeligen Örtchen und hoch Richtung Grand Col Ferret.

Während die Vierergruppe sich zuerst nach Refugee Bertone aufmachte, kam Robert in die Labe… alleine…das war so nicht geplant.

Labestation in Courmayeur
Rundumservice beim großen Boxenstopp in Courmayeur

Er sah noch gut aus, bekam natürlich dasselbe Rundumservice und erzählte, dass er bis zum Col de la Seigne gemeinsam mit Christoph unterwegs war. Bergan hat er immer ein wenig Vorsprung aufgebaut und im Downhill hat Christoph ihn wieder eingeholt. Doch nach Lac Combal kam er nicht mehr nach. Auch die Trackingapp hatte die Ankunftszeit immer weiter nach hinten geschoben. Das klang nicht gut.

Robert fertig ausgestattet und auf die Strecke geschickt, warteten Peter und die beiden Betreuerinnen von Christoph auf ebendiesen. Es wurde später und später und er kam nicht.

Dropbags ind Courmayeur
Einige Träume platzten in Courmayeur

Einige Minuten nach dem Cutoff in Courmayeur wurde er in Empfang genommen und der UTMB 2021 beendet. Mit einem Radler ein wenig aufgerichtet, berichtete er von einem eigentlich wunderbaren Lauf. Es ging alles auf und es ging ihm anfänglich gut. Nach einiger Zeit blieb ihm aber bergauf die Luft weg. Selbst bei extrem reduziertem Tempo musste er Stehpausen einlegen und Kilometerzeiten jenseits der 25 Minuten sprachen eine eindeutige Sprache. Das muss noch analysiert werden denn das Training und die Vorbereitung waren gut.

Christoph und Nadine wurden in der Folge ins Quartier gebracht und Sabrina unterstützte Peter bei der Betreuung der nun verbleibenden 5 Läufer.

Grand Col Ferret statt Federbett

Bei schönstem Wetter ging es hoch zum Grand Col Ferret

Nach Bertone ein steiler Anstieg und danach wellte es dahin und wellte dahin und wellte dahin. Hier war Steffen wohl ein wenig genervt, da vor dem Grand Col Ferret auch noch Arnouvaz am Programm stand und jeder wusste, dass es nochmal nach unten geht, bevor der Anstieg kommt. Die Labe wollte nicht und nicht näherkommen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sind sie eingelaufen und Flo äusserte ein „I am done“. Gemeinsam haben Basti, Steffen und Michele unseren Flo dazu gebracht, zumindest bis zur nächsten Labe zu denken und zu laufen. Also hoch den Hintern und ab.

Den folgenden Anstieg hatte Flo wieder gut bewältigt. Die Aussicht auf die Steinehaufen und die Gewissheit, dass das der letzte richtig Höhe Pass ist, hat ihn zu zweiter Luft verholfen.

Oben angekommen glücklich und zufrieden ab zum nächsten Abschnitt.

Down with the Sickness

Nach dem Grand Col Ferret folgt ein kilometerlanger Downhill nach La Fouly und dann nach Champex Lac.

Völlig unerwartet brach Flo bei dieser Passage ein und Kilometer für Kilometer ging es mental und körperlich bergab.

Basti und Michele liefen vor, Steffen blieb bei Flo, doch es wurde und würde nicht besser. Das DNF-Monster wetzte bereits die Krallen und in La Fouly sahen 3 der Läufer in Flos Zombieaugen.

Es folgten Aufmunterungen, Diskussionen und Brandreden. Doch letztendlich blieb Flo zurück.

Split

Nach dem Aufenthalt und der Trennung von Flo begaben sich Michele, Steffen und Basti nach Champex Lac. Diese Labe ist eine Schlüsselstelle zum Finish. Die Statistik sagt, dass 94% derer, die Champex Lac verlassen das Finish erreichen.

Fallen Soldier

Flo führte noch das eine oder andere Telefonat und haderte mit seinem Schicksal. Irgendwann bimmelte bei Peter das Telefon. Gerade kurz vor Champex Lac hörte er die Hiobsbotschaft. Flo wollte direkt die Startnummer abgeben. Sabrina und Peter konnten ihn zumindest dazu bewegen, dass er wartete bis sie bei ihm waren. In La Fouly angekommen wurde er motiviert, angeschrien und gebeten weiterzumachen. Doch es half nichts. Dieser Tag war nicht der seine und das Monster schluckte Flo. Endstation bei km112.

Gemeinsam fuhren sie nach Champex Lac um die verbliebenen Läufer zu betreuen.

3 Hügel zum Glück

Gerade rechtzeitig angekommen wurde das Kartenspiel an Assistence Karten ausgepackt und so konnten das Zelt mit zwei Reisetaschen und einem Rucksack betreten werden. Kaum aufgebaut, trabten sie auch schon ein. Getränke neu füllen, zum Essen drängen, massieren und gut zureden. Da steigt die Motivation.

Wenn Labe, dann ordentlich

Peter ließ Sabrina bei den Jungs und in weiterer Folge Robert und machte sich auf, Flo heimzubringen. Schön langsam war die Müdigkeit mühsam und so musste Peter am Weg ein 5 Minuten Powernap einlegen. Ebenso nach der Ankunft in der Unterkunft. Flo musste duschen, Peter schlief 10 Minuten und während Flo den verdienten Schlaf antrat, schwang sich Peter wieder ins Auto um Sabrina abzuholen.

Einige Minuten vor der Ankunft kam schon die SMS, dass die Labe geschlossen wird und Sabrina bald aus dem Zelt geworfen wird.

So schnell irgendmöglich ab zur Labe, Sabrina eingeladen und die gefühlten 1000 (tatsächlich wohl eher 40) Serpentinen hinunter und auf der anderen Seite wieder rauf, Richtung Trient. Sowohl Peter als auch Sabrina hatten sich kurz davor 2 Red Bull gegönnt. Am Weg nach Trient wurde Sabrina diese wieder elegant los.

Ein paar Minuten Zeit blieben vor der Läuferankunft und so konnte ein weiteres 20 Powernap eingelegt werden.

Müde aber top motiviert liefen sie ein. Während Steffen und Basti nach dem letzten steilen und doch herausfordernden Berg neu befüllt wurden, legte sich Michele ein paar Minuten auf die Bank. Bewundernswert bei lautstarker Beschallung durch DJ Ötzi und Ähnlichem.

Nur noch 2 Anstiege bis ins Ziel. Der nächste Anstieg sollte gut gehen und so entflohen sie kurz vor Sonnenaufgang in den Wald.

Immer mit Blick auf den Cutoff erwarteten Sabrina und Peter den lieben Robert. Knapp 45 Minuten war Zeit und während Sabrina ihm entgegen ging, versorgte Peter andere Läufer, die in der Nähe waren und so aussahen, als ob sie Hilfe benötigen.

Bald darauf war auch Robert da und die mittlerweile eingespielte Routine wurde abgespult.

Von den Strapazen gezeichnet aber im Kopf stark. Robert in Trient

Roberts „um Punkt gehe ich los“ wurde mit einem “ nix da, um 45 bist du da raus“ quittiert und so war es dann auch. Zackig alles erledigt und ab nach Vallorcine.

Kaum alle aus der Labe geworfen, schnell zusammengepackt und zügig nach Vallorcine.

Der neue Morgen und das näherkommende Ziel beflügelten vorallem Basti und Michele. Nach dem Anstieg bretterten sie den Downhill Richtung Vallorcine runter und 15 Minuten vor der berechneten Zeit grinsten sie ins Verpflegungszelt. Kurz darauf bog auch Steffen ums Eck und diesmal merkte man, dass sie es schaffen würden. Die Endorphine bereiteten sich bereits auf den Abschluss vor.

Wie wenn sie erst 10 km unterwegs wären…und das nach mehr als 150km.

Wie in den letzten Laben, kam Robert etwas später rein und der Cutoff war hier schön ein relevanter Faktor. Er war immer gut dabei, aber es durfte nichts Unvorhergesehenes geschehen.

Noch einmal richtig aufbauen.

Bei schönstem Wetter ging es für die Buben auf nach Le Flegere und hin zum finalen Downhill. Nach einem brutal steilen Anstieg über steinige Serpentinen und einem endlosen, nicht laufbaren Steinemeer ganz oben ist er da.

Finale Grande

Der letzte Checkpoint vor dem Ziel. Bei Le Flegere sind alle Höhenmeter erledigt und nur noch 8 Kilometer trennen die Athleten vom Ziel.

Da gab es kein halten mehr. Mit lautem Hallalli und unvernünftig hohem Tempo tschunderten die drei den Hang hinunter und wurden kurz vor dem Ziel von Sabrina empfangen. Gemeinsam bewältigten sie die letzten Kurven und von Emotionen gebeutelt ging es durch den UTMB Zielbogen.

Sprinten geht immer – Finish beim UTMB

Das Finale war so beeindruckend, dass auch das offizielle UTMB-Video die Helden zeigen muss. Mit Zielbier, Grappa und Feuerwerk empfangen, genossen sie die ersten Minuten in Chamonix.

done, done,

Als auch Robert finishte, kamen die Emotionen nochmal richtig durch.

Alles in allem eine unglaubliche Reise und wahnsinnig starke Leistungen.

Aftershow

Basti hat ebenfalls eine authentische und eindrucksvolle Review des UTMB geschrieben: Lest sie hier.

Und auch Demeter Dick aka. Triathlondog ist mit von der Partie beim UTMB gewesen. Ganz friktionslos war sein Lauf wohl auch nicht: Lesen Sie hier.

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Viel Spass beim Hören!

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2 Kommentare

  1. Christian Dank Christian Dank

    Respekt! Das war eine wirklich tolle Leistung, Burschen

    • Florian Kimmel Florian Kimmel

      Danke!

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